Nahezu jeder Segler hat schon einmal was vom Radeffekt gehört. Doch was bewirkt er eigentlich? Ist es überhaupt wichtig mehr darüber zu wissen oder kann ich das Thema getrost in die „einmal gehört und wieder vergessen“-Schublade stecken?

Der Radeffekt – Fluch oder Segen?

Nahezu jeder Segler hat schon einmal was vom Radeffekt gehört. Doch was bewirkt er eigentlich? Ist es überhaupt wichtig mehr darüber zu wissen oder kann ich das Thema getrost in die „einmal gehört und wieder vergessen“-Schublade stecken?

Aus unserer Sicht sollte der Effekt keinesfalls dort verschwinden. Er kann in bestimmten Situationen sehr hilfreich aber auch dafür verantwortlich sein, dass dein Hafenmanöver nicht gelingt. Vor allem bei der Ansteuerung enger und stark frequentierter Häfen solltest du dir vor dem Anlegemanöver bewusst sein, was der Radeffekt bei deinem Schiff bewirkt und ob er überhaupt vorhanden ist.

Ein Propeller bei einen Monohull mit Saildrive

Wie wirkt sich der Radeffekt beim Manövrieren aus?

Die eigentlich richtige technische Bezeichnung wäre Propellereffekt, da es einen physikalischen Zusammenhang am Propeller beschreibt. Aufgrund der besseren bildlichen Vorstellbarkeit hat sich jedoch der Begriff Radeffekt durchgesetzt. Bei der Erklärung der Wirkung stellen wir uns den Propeller als Rad vor, das den Grund berührt und auf ihm entlangläuft. Hat deine Yacht also wie in den meisten Fällen bei Vorausfahrt einen rechtsdrehenden Propeller, läuft das Rad am Grund nach rechts und zieht dabei das Heck des Schiffes mit in die gleiche Richtung. Wenn der Propeller bei Rückwärtsfahrt nach links dreht, fährt das Rad nach links und versetzt das Heck ebenfalls nach links. Dabei dreht sich das Schiff immer um seine eigene Drehachse, welche im Schwerpunkt (ungefähr in der Mitte des Bootes) liegt.

Wie entsteht der Radeffekt?

Den Propeller können wir uns wie ein Schaufelrad vorstellen, welches durch die kreisförmige Bewegung an jeder Stelle die gleiche Menge Wasser bewegt. Das bedeutet bei einem in Rückwärtsfahrt linksdrehenden Propeller, dass auf der linken Seite Wasser nach unten und auf der rechten Seite Wasser nach oben transportiert wird. Da der Propeller unter dem Rumpf sitzt, wirkt der Bootskörper wie ein Deckel, welcher den gleichmäßigen Transport des Wassers durch den Propeller behindert. Während nun das Wasser bei einem in Rückwärtsfahrt linksdrehenden Propeller, rechts auf den Rumpf des Bootes drückt, kann es auf der linken Seite ungehindert abtransportiert werden. Dadurch entsteht links ein Unterdruck und rechts ein Überdruck, deren Ergebnis eine Bewegung des Bootes nach links ist. Bei einem in Rückwärtsfahrt rechtsdrehenden Propeller wirken die Kräfte genau andersherum.

Welches Boot hat überhaupt einen Radeffekt und wann ist dieser wie stark ausgeprägt?

Aus dem vorherigen Absatz lässt sich schließen, dass alle Boote, deren Propeller unterhalb des Rumpfes angebracht sind, einen Radeffekt besitzen. Dabei nimmt die Form des Rumpfes auch eine wichtige Rolle ein. Je steiler die Rumpfform ist, desto größer ist der Radeffekt. Das Wasser trifft dann nicht mehr senkrecht auf den Rumpf (wie bei einem U-Spant), sondern schräg, wodurch der Überdruck vergrößert wird (z.B. S-Spant).

Außerdem ist die Art des Antriebs und dessen Entfernung (Hebelarm) zur Drehachse des Boots entscheidend für die Stärke des Radeffekts. So hat ein Antrieb mit fester Welle einen größeren Radeffekt als beispielsweise ein Saildrive, dessen Propeller näher an der Bootsmitte angebracht ist. Moderne Segelboote haben einen flachen U-Spant mit Saildrive, sodass der Radeffekt weitaus weniger ausgeprägt ist als bei Booten mit S-Spant oder Langkieler.

Weiterhin zu beachten ist, dass der Radeffekt bei Rückwärtsfahrt stärker ausgeprägt ist als bei Fahrt voraus. Das liegt daran, dass der Propeller hinten unter dem Boot angebracht ist und bei Rückwärtsfahrt der Wasserstrom auf eine viel größere Fläche des Rumpfes drückt als bei Vorausfahrt. Zusätzlich trifft der Wasserstrom bei letzterer direkt auf das Ruderblatt, mit dessen Hilfe der Radeffekt in gewissem Maße ausgeglichen werden kann.

Wie teste ich die Ausprägung und Richtung des Radeffekts bei meinem Boot?

Natürlich kannst du damit starten, deinen Vercharterter zu fragen, ob der Propeller deines Boots links- oder rechtsdrehend ist. Aus unserer Sicht ist es jedoch sinnvoll, sich darauf nicht zu 100% verlassen, sondern die Drehrichtung sowie Ausprägung des Radeffekts selbst zu testen. Zu wissen, welche Antriebsart das Boot hat (Saildrive, starre Welle etc.) ist auch nicht so wichtig, solange du ein Gefühl für die bootsspezifische Ausprägung des Radeffekts bekommst.

Dies gelingt einfach in einem freien Bereich des Hafens oder bei ruhigem Wetter außerhalb des Hafens durch einfache Manöver. Stoppe die Yacht auf und beschleunige dann aus dem Stand mit geradem Ruder achteraus. Halte das Steuerrad fest. Das Heck des Boots wird sich nun entweder nach links oder rechts bewegen. Damit weißt du ob dein Propeller links- oder rechtsdrehend ist. Wiederhole das Manöver und beschleunige diesmal nach vorne. Das Heck des Boots wird sich nun (weniger ausgeprägt) in die entgegengesetzte Richtung versetzen. Wiederhole die Manöver, um ein Gefühl für das Verhalten des Boots beim Manövrieren zu bekommen.

Bei welchen Manövern profitiere ich vom Radeffekt?

Nutzen kannst du den Radeffekt v.a. beim Anlegen an der Längsseite und beim Wenden auf der Stelle. Plane bei ersterem immer das Anlegen an der Seite, auf die das Boot beim Aufstoppen (Schub Rückwärts) durch den Radeffekt versetzt wird. Als Beispiel hat dein Boot einen linksdrehenden Propeller, woraus ein Versatz des Hecks bei Rückwärtsfahrt nach links resultiert. Somit ist hier das Anlegen an Backbord die richtige Strategie, da das Heck dabei fast von alleine an die Pier herangezogen wird.

Beim Wenden auf der Stelle muss dies in die entgegengesetzte Richtung des Heckversatzes erfolgen. Mit obiger Beispielyacht wird demnach im Idealfall über Steuerbord gedreht. Im Stand geben wir Schub nach achtern, das Heck dreht nach Backbord. Bei anschließender Vorausfahrt gleichen wir den schwächeren Radeffekt-Versatz nach Steuerbord mit dem Ruder aus. Nach nochmaligem Rückwärtsschub wird die Yacht um 180° gedreht sein (Wenden in drei Zügen). Probiert das in einem freien Bereich aus und merkt, dass das Wenden unter Zuhilfenahme des Radeffekts viel einfacher gelingt, als dabei gegen ihn zu arbeiten.

Abschließend und mit Bezug auf den Titel dieses Eintrags empfinden wir den Radeffekt als sehr nützlich, v.a. bei engen Hafenmanövern. Bei Nichtbeachtung müssen die Manöver meist abgebrochen werden, was in stark frequentierten Häfen die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Aus diesem Grund gehört es zum Standardrepertoire beim Chartern einer Yacht, den Effekt und dessen Ausprägung wie oben beschrieben zu testen. Nutze das Phänomen richtig und dein nächstes Manöver ist ein Kinderspiel! Nun habt ihr bei eurem nächsten Törn den Dreh raus!

Vielen Dank an unseren Autor Stefan!

Quelle:

Erfahrungsbericht

Yacht, Lars Bolle, 04/2015, Der Dreh mit dem Rad.

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